Mittwoch, 14. Oktober 2015

Neustart


Nach 4 Jahren Studium in Ewersbach zieht es mich nun mal wieder weiter. Dieses Mal hat es mich nach Innsbruck verschlagen, einem anschaulichen Städtchen mitten in den Alpen. Aber warum Innsbruck?! Nun, ich bin zur Allianz-Mission gegangen und habe gesagt, was ich kann und was ich brauche und habe gefragt, ob sie nicht einen Ort auf der Welt wissen, wo mein Profil eine Lücke füllen würde. So hat man mir Innsbruck vorgeschlagen. Ich dann bald für ein Wochenende runtergefahren, die Missionarsfamilie, die Gemeinde, die Berge und was nicht alles kennengelernt, sodass ich mir im Gespräch mit Gott die Rückfrage habe gefallen lassen müssen, was ich denn noch bräuchte, um hier einen Platz für die nächste Zukunft zu sehen. Friede über die Entscheidung und Gewissheit über den erfolgreichen Abschluss der zunächst letzten Prüfungsphase setzten unmittelbar ein..


Kurz zur Formalia: Hier mag ich jetzt Gemeindereferent sein, aber nach außen hin verstehe ich mich schon als Missionar, der auf deine Unterstützung zumindest im Gebet angewiesen ist. Dazu will ich dich einerseits darüber informieren, was anliegt und andererseits mit all den coolen, aber bestimmt auch anstrengenden Erfahrungen und Erlebnissen unterhalten. So als Gegenleistung für deine Unterstützung. Andere schreiben dafür Rundbriefe, ich habe irgendwann mal angefangen, diesen Blog hier zu führen. Hier hat ma alles zuhauf und kann auch noch mal n biddel meine Geschichte mit Gott nachvollziehen (auch schon ne kleine Wundergeschichte). Außerdem scheinen sich auch viele Externe auf diesen Blog zu verirren: 5200 Klicks hat mein Blog in den 5 Jahren erlebt. So viele Leute kenne ich gar nicht. Also auch nochmal ne gute Missionsplattform.
Genau. Ich verstehe diesen Blog als einen missionarischen. Das heißt, ich will mich bemühen, wirklich nur erzählen, wo es irgendwie um Gott und unseren Auftrag, von ihm zu erzählen, geht und meine Schwärmereien über die Berge, das Ski- und Fahrradfahren, Wandern, Klettern, Sonnenaufgänge in 2500 Metern Höhe, das unglaublich gute (aber leider auch viel teurere) Essen hier, die wahnsinnig freundlichen Leute (sogar die Cops haben hier ein Lächeln auf den Lippen) und was nicht alles in Grenzen zu halten. Schließlich muss ja das Bild eines Missionars, der stets an der Grenze zur Askese lebt, auch aufrecht erhalten werden..
Noch was anderes: In der Frage, warum Millionen von Menschen twittern habe ich jetzt die Tage nochmal insofern Antwort gefunden, als ich nachempfinden konnte, wie sich das anfühlt, wenn so ein einfaches Video, auf Facebook gepostet, kommentiert/geliked wird und was das mit mir macht. Es würde für mich einfacher, mich zum Schreiben zu motivieren, wenn ich keine Verantwortung gegenüber dem Schreiben an sich eruieren müsste (weil man das so macht!) sondern eine konkrete Verantwortung gegenüber einem konkreten Leser wahrnehmen könnte. Also gestalte deine Lektüre doch einfach interaktiv und kommentiere gerne entweder direkt auf dem Blog (Googlekonto erforderlich) oder auf Facebook, wo ich jeden Blogeintrag einzeln anzeigen werde. Mit einem Like kannst du mir auch einfach zeigen, dass du den Post gelesen hast. Also bitte nicht liken, weil du cool findest, was ich mache, sondern nur, weil du es gelesen hast und es mich wissen lassen möchtest. Wer weiß, ob sich über die Comments nicht auch das eine oder andere geniale Gespräch ergibt?! Persönliches aber bitte via Privatnachricht. Und jetzt genug der langen Worte..

Also Gott und mein Auftrag. Ich denke, meinen Auftrag werde ich hier nicht theoretisierend reflektieren, sondern einfach nur konkret benennen, sobald es soweit ist. Auch mein Gottesbild werde ich hier nicht entfalten. Nur soviel: Gott ist nicht, Gott erweist sich. Gemäß: „Ich bin, der ich bin/sein werde!“, ne? Ich kann dir nur erzählen, wie ich Gott erlebe und nur so kann ich meine Faszination an ihm transportieren. Wenn ich sage, wie Gott ist, verbleibt es meist nur bei Formeln, die irgendwie tot klingen. Und wie bitte soll ich einen Nichtchristen zum Glauben an einen Gott einladen können, der irgendwie gesetzt wirkt und eigentlich nur so Gebote bzw. vielmehr Verbote vermittelt und sich nicht erleben lässt? Da würde ich, der ich auch mal andere Erfahrungen gemacht hat, bevor er zum Glauben gefunden hat, doch auch lieber den Mädchen nachsteigen, Parties feiern oder Kohle machen wollen..

Also, wie ich Gott erlebt habe in den letzten Tagen..
Erstmal die Gemeinde: echt der Hammer! Mein erster Gottesdienst hier und es fand direkt ne Taufe statt: eine Chinesin, ein Malaysier, ein Südafrikaner, eine Iranerin und ein Afghane, die sich dafür entschieden haben, ihre Entscheidung für ein Leben mit Jesus festzumachen. Und genau so sieht auch die Gemeinde aus! Unheimlich viele vertretene Nationalitäten bilden ein wunderbar buntes Bild, das einerseits erkennen lässt was Jesus mit Einheit und Brüderlichkeit meint und andererseits herausfordert, das soziale Miteinander, das über spirituelle Teilhabe hinausgeht, zu ordnen. Mehr dazu, wenn es soweit ist..

Zunächst habe ich nämlich erst einmal genug mit mir selbst zu tun. Zum Einen habe ich mich noch häuslich einzurichten, was sich insofern als schwierig erweist, als umfangreiche Umbauarbeiten auf sich warten lassen, und zum anderen war es primäre Aufgabe der ersten Tage, einen Job zu finden. Als Zeltmachermissionar habe ich erstmal keine sendende Gemeinde, die meine Arbeit trägt und auch durch die Allianz-Mission werde ich nur geringfügig unterstützt, sodass ich mir meine Brötchen neben der Gemeindearbeit selbst verdienen muss. Aber erstmal der Umbau: aus verschiedenen Gründen ist die an die Gemeinde grenzende Wohnung, die ich mir mit 2 jungen Mitbewohnern teile, ein wenig baufällig. Die Küche muss komplett neu gemacht werden, überall sollen neue Böden rein und ich muss auch noch ein neues Fenster haben. Da warte ich nun seit Anreise auf das OK, meine Mitbewohner allerdings schon um einiges länger. Das macht es alles schwieriger, motiviert zu bleiben und vor allem auch motivierte Bewerbungen zu schreiben. Doch Gott ist da und schenkt mir Kraft, auf meiner Müllhalde emporzuklettern und aktiv zu werden. So wurde uns z. B. richtig günstig eine ziemlich gute Küche zur Verfügung gestellt. Und das war alles irgendwie merkwürdig und nicht so recht nachzuvollziehen. Und auf einmal war das eben so.
Nun zur Jobsuche; morgen bin ich 2 Wochen hier, gestern hätte ich meine 3. Bewerbung rausgeschickt, wenn ich nicht schon eine Zusage auf meine 2. Bewerbung bekommen hätte. Eine Bilanz, die ich jedem wünschte. Zudem ist es ein Job in dem meines Erachtens kulminiert, was ich hier in Tirol am meisten schätze: Den Anspruch an eine unheimlich hohe Lebensqualität. Am besten zu beschreiben mit ihrem Umgang mit Raum. Da Innsbruck links und rechts von Bergen eingekesselt ist, lassen sich kaum neue Lebensräume erschließen. Das macht den Wohnraum hier entsprechend wertvoll. Trotzdem begegnen unheimlich viele Freiflächen und Parks und selbst die vielen Spielplätze mitten in der Stadt sind lichter angeordnet, als ich sie von Deutschland her kenne. Der Anspruch an Lebensqualität findet sich sodann in der Ernährung. Hier wird viel mehr Wert auf eine gesunde und lebensmittelechte Ernährung gelegt. Und die fängt ja mit dem Frühstück an. So darf ich Teil eines Unternehmens sein, das es sich seit Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht hat, der modernen Lebensmittelindustrie den Rücken zu kehren und Ernährung wieder zum Genuss zu avancieren. ..und Brötchen backen und verkaufen.
Und, genau: backen; ich hab mir zwar schon mal ein paar Brötchen selbst gebacken, aber…
Nun gut; das Stellenangebot schrieb aus, dass auch branchenfremden Bewerbern eine Chance gegeben werden sollte. Im Vorstellungsgespräch wurde das allerdings relativiert, indem Bezug zu anderen, aber ähnlichen Branchen genommen wurde. So wurde meine Aussicht zwar verdunkelt, meine Hoffnung aber nicht: Ich glaube ja an einen Gott, der Unmögliches möglich macht. Und ich wollte so gerne für Baguette arbeiten… und dann der Anruf.

Damit hast du erst einmal einen kleinen Einblick in mein neues Lebensumfeld bekommen. Sollten Fragen offen geblieben sein, gerne in den Comments, sonst in Privatnachrichten. Ich werd dich wissen lassen, wenn’s was Neues gibt.


Micha

Montag, 6. August 2012

...and so on! Saratov, Russland: Deutschfreizeit – Freizeit für russische Deutsch-Studenten


Ziel:

Studierende der deutschen Sprache in Russland haben wenig Raum zur praktischen Anwendung. Dieser Anfrage stellt sich die Allianz-Mission und entwickelt so eine 5-tägige Freizeit, in der ausschließlich Deutsch gesprochen werden soll. Die Themen hierzu sind nach Alltagsrelevanz ausgewählt, sollen aber über Erfolgsmanagement und Beziehungstips – das wird dort, wie wir herausgefunden haben, genug besprochen – hinausgehen. Nebenbei werden Beziehungen aufgebaut. Und von Jesus erzählt...


Persönliche Motivation:

Im ersten Jahr meines Studiums der evangelischen Theologie an der Theologischen Hochschule in Ewersbach war ein Jugendpraktikum durchzuführen. Dabei wurde empfohlen, ggf. an einer Freizeit teilzunehmen. Leider war das in der meinen Praktikumsstelle nicht möglich, weil es dort in Toskana ging und selbst die Mitarbeiterplätze längst ausgebucht waren. Dennoch schien mir der Gedanke, einmal an einer Jugendfreizeit teilzunehmen, als sinnvoll. Zumal ich vielerorts von der Genialität solcher Ereignisse gehört habe, selbst auf Grund nichtchristlicher Sozialisation aber nie von dem Zauber erfahren durfte, den dort Teilnehmer wie auch Mitarbeiter ergreift. So habe ich mich nach möglichen Optionen umgesehen..
Und schließlich wurde mir die Idee der Saratov-Freizeit vorgestellt; es fehlten noch Leute, und wenn die Finanzen der einzige Grund wäre, der Anlass zum Zögern gebe, könne man das schon irgendwie hinkriegen. Für mich also wie zugeschnitten. Obgleich: Russland! Wer fährt denn nach Russland. Man geht nach Japan, Tansania, Brasilien, etc., aber nicht nach Russland. Aber irgendwie hat das Sinn ergeben. Und aus Perspektive der Vernunft völlig unsicher, was ich da mache, habe ich zugesagt, wohlwissend, dass das der richtige Weg ist.


Planung:

Die Planung war weitestgehend abgeschlossen, als ich zum Team dazu gestoßen bin. Diese sah insgesamt mehr einen interkulturellen Dialog vor, als einfach nur ein Überstülpen unserer Anschauungen und Werte; wir wollten die Studenten dort abholen, wo sie sich befanden.
Hierzu sollte in den Hauptgesprächseinheiten, die am Vormittag in Kleingruppen stattfanden, zunächst über das etwas allgemeinere Thema Lüge & Wahrheit gesprochen werden, am nächsten Tag dann aber schon biblische Geschichten (Der verlorene Sohn) behandelt werden, darauf folgend das russische bzw. deutsche Weihnachtsfest (und natürlich dessen Hintergrund) und schließlich Ostern (auch hier haben wir den theologischen Beweggrund nicht außer acht gelassen). Die Nachmittage dienten insgesamt mehr der Beziehungspflege; hier haben wir viel zusammen gespielt, sonst gab es viel freie Zeit für Gespräche. Abends wurde nochmal hochgefahren und Themen wie deutsche Lyrik oder Luther behandelt.


Anreise:

Das aufregendste an der An- und Abreise war die 16-stündige Fahrt im russischen Schlafwagenzug von Moskau nach Saratov. Es war erstmal einfach nur billiger als zu fliegen, aber für mich ging ein Kindheitstraum in Erfüllung; und eigentlich waren die Betten dort bequemer als alle sonstigen Schlafstätten, die wir in Russland hatten. Doch die 2-tägige Anreise hat dennoch ganz schön geschlaucht. Zudem mussten wir uns dann erstmal mit den sommerlichen Temperaturen arrangieren. Es wurde zwar angekündigt, dass es dort erheblich wärmer sein sollte, als es das zum Zeitpunkt in Deutschland war, aber irgendwie hatte man doch Schnee erwartet; was sollte man sonst für Wetterverhältnisse in Russland erwarten?! Aber nein: Sonne und Temperaturen um die 30°C. Aber es sollten noch mehr Klischees widerlegt werden...
In Saratov angekommen ging es auf einen Sprung in die dortige Gemeinde zum Einladen der letzten Notwendigkeiten und dann direkt auf die Insel Dyski (oder so), einer nach dem Umbruch von der dortigen charismatischen Gemeinde aufgekauften Insel auf der Wolga. War für mich auch schwer vorstellbar, aber an der schmalsten Stelle ist die Wolga dort 3km breit; genug Platz also für ein kleines Inselchen.
Jetzt könnte man sich ein kleines Päuschen vorstellen, aber dafür gab es leider keine Zeit; letzte Vorbereitungen mussten getroffen werden, das Programm nochmal grob durchgesprochen werden. Und so nahm alles seinen Lauf...


Örtlichkeiten:


Wie erwähnt, fand die Freizeit auf einem Campingplatz auf einer Insel mitten auf der Wolga statt. Die sanitären Anlagen waren einfach gehalten: ein paar Löcher im Boden, aber wenigestens gab es ein Häuschen rings um und eine Tür, die man schließen konnte. Zur täglichen Toilette gab es: die Wolga. Liebevoll ein paar Waschtische aus Kunststoff an die Bäume genagelt, die frisches Wolgawasser aus einem Trichter lassen, wenn man einen Pfropfen von unten nach oben drückt. Ab und zu, wenn eines da war, konnte man sogar ein Stück Seife benutzen. Die Körperpflege fand dann also in der Wolga statt (war gar nicht so kalt) oder in sogenannten Duschen; ein durch Planen als Sichtschutz abgetrennter Bereich, in den ein Schlauch gereicht wurde, der durch ein Düse frisch gezapftes Wolgawasser spie. Doch alles schon Fortschritt; letztes Jahr gab´s noch keine Toiletten, da musste noch ein Loch selbst gegraben werden und auch das Wasser für die Dusche musste persönlich mit Eimern geholt werden; da gab´s noch keine Pumpe. Für Prinzessinnen gab´s allerdings auch ne Deluxe-Dusche am anderen Ende des Platzes, die für 30 Rubel Aufschlag benutzt werden konnte. Das sind zwar nu ca 75 €-Cent, aber wenn schlicht so wenig Geld da ist, dass die Studenten häufig lieber - auch weite Strecken - z u Fuß gehen, anstatt 14 Rubel von den Bus zu bezahlen (Zeitkarten gibt es nicht, schon gar kein Studententicket), kann man sich den Wert einer solchen Dusche vielleicht vorstellen.






Durchführung:

Und angefangen hat das alles damit, dass am Vormittag des 18.07.2012 die ersten Teilnehmer angereist sind. Wir hatten schon am Vortag erfahren, dass die erwartete Teilnehmerzahl doch erheblich neben der von uns angenommenen lag; die erhofften 20% Männeranteil sollten ebenfalls wegfallen: letztendlich waren wir 15 weibliche Teilnehmer und 7 Mitarbeiter.
Nach dem Mittag stand ausgiebiges Kennenlern-Programm an. Über verschiedenste Spiele wollten wir zum Einen einander die Namen bekannt machen und zum Anderen uns einen ersten Überblick über die vorherrschenden Deutsch-Kenntnisse der einzelnen Studenten machen. Damit später adäquate Kleingruppen gebildet werden könnten, in denen die Studenten gefordert, aber nicht überfordert würden.
Die abendliche Veranstaltung wurde damit begonnen, dass wir miteinander Lieder gesungen haben. (Immer wieder haben wir zusammen gesungen. Die unterschiedlichsten Lieder aus Bereichen der deutschen Kultur, aber auch christliche Lieder. Als Feedback kam bald sogar zurück, dass ruhig mehr gesungen werden könnte.) Schließlich wurde ein Deutschland-Quiz veranstaltet, in dem wir als Mitarbeiter feststellen durften, dass die Studenten so manches besser wissen als wir. Leider aber auch, dass das Sprachniveau doch sehr verschieden war und wir uns was einfallen lassen mussten, damit nicht immer dieselben zu Wort kommen.
Später haben wir uns nochmal als Team zusammengesetzt, um erste Eindrücke zu reflektieren. Natürlich gab es Kleinigkeiten zu korrigieren, aber insgesamt wurde überwiegend Zustimmung, wenn nicht gar Überraschung bekundet; wir waren ziemlich begeistert von einem genialen Start. Alle hatten irgendwie rein gefunden und es war schnell eine Atmosphäre der Vertrautheit wahrzunehmen gewesen.

Der 19.07.2012 begann verhältnismäßig früh. Erstmal war noch mit den 2 Stunden Zeitumstellung zu kämpfen, dann waren wir einfach erschöpft von Anreise & Co. und trotzdem standen wir schon um 7:00 h auf. Um mit einer gemeinsamen Andacht zu starten und den Tag durchzuplanen. Um 8:00 h hatten dann die Studenten aufzustehen.
Die hatten dann kurz Zeit, sich ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht zu spritzen, danach ging es zum Frühsport. Vor dem Frühstück wurde aber nochmal Zeit für die morgendliche Toilette gegeben.
Um 9:30 h ging es weiter mit dem Start des Tagesprogramms. Heute wurde in den Kleingruppen über Lüge & Wahrheit diskutiert. Aufregend war es dabei, zu beobachten, wie es in den Köpfen der Teilnehmer ratterte. Mir schien, und so ging es den anderen auch, dass die Menschen in Russland nicht oft ihre Werte, Anschauungen und vor Allem sich selbst hinterfragen. Und die meisten schienen wirklich Freude dabei zu haben, mal über dieses und jenes nachzudenken. Wo sind eigentlich die Unterschiede zwischen Wahrheit und Lüge? Ist eine Nicht-Wahrheit gleich eine Lüge? Und wo liegen die Grenzen? Ist es ok, (vermeintliche) Freunde anzulügen und wo führt es hin, wenn sich selbst Ehepartner belügen?!
Nach dem Mittagessen, das wie jedes Essen im Übrigen außerordentlich gut war, sollte es plangemäß mit Wasserspielen, die von mir vorbereitet worden waren, weiter gehen. Aber Gott hatte was anderes mit uns auf dem Plan. Es hatte zwar nur kurz getröpfelt, aber es war insgesamt zu kühl gewesen, um durchnässt über den Campingplatz zu huschen. Und krank wollten wir sie ja nicht unbedingt wieder nach Hause schicken. So haben wir uns als Alternative fix ein paar Spiele überlegt, die schließlich nicht nur unheimlichen Spaß gemacht haben, sondern uns auch noch tiefer miteinander verbanden. Auch hier musste natürlich ausschließlich Deutsch gesprochen werden.
Am Abend wurde, diesmal im Plenum, über Lyrik in Deutschland gesprochen. Da war es schwierig, nicht über Größen wie Herman Hesse zu stolpern. Aber siehe, „Der Nebel“ wird dort im Unterricht behandelt.
Heute hatten wir es nicht mehr geschafft, uns abends zusammen zu setzen. Zu sehr waren wir alle erschöpft.

Aber auch in der morgendlichen Runde konnte wieder nur darüber gestaunt werden, was am Tag zuvor geschehen ist. Die Gemeinschaft ist noch inniger geworden. Erste tiefer gehende Gespräche waren entstanden. Die Atmosphäre wurde als noch vertrauter wahrgenommen. Und alle schienen zufrieden mit der Entscheidung, an der Freizeit teilzunehmen.
Stark motiviert ging es nun also in die Planung für den 3. Tag.
Im Hauptteil sollte morgens im Rahmen biblischer Geschichten über den Verlorenen Sohn gesprochen werden. Dazu sollte die Geschichte einmal anhand von Bildern erzählt werden. Dabei sollte immer wieder rückgefragt werden: „Was denkst du, wie er reagiert? Was macht er?“ „Wie würdest du reagieren/Was würdest du machen?“ Zuletzt sollte die Geschichte nachgespielt werden, damit sich die Studenten emotional besser damit identifizieren könnten. Das hat nicht nur gut geklappt, es schien ihnen auch noch richtig Spaß zu machen, sich kreativ ausleben zu können.
Für den Nachmittag hatten wir verschiedene Workshops vorbereitet. Von Armbänderbasteln über Standardtanzkurs bis hin zu handwerklichen Übungen (ein Nagel sollte mit möglichst wenig Schlägen in einen Baumstumpf getrieben werden; meine Idee). Dabei wurde jeder Workshop natürlich unterschiedlich stark besucht. Insgesamt wurde das Programm jedoch mit Freude angenommen. Für's Armbänderbasteln gab es allerdings zu wenig Zeit; so baten einige, ob man dafür noch einmal Raum anbieten könnte. Natürlich können wir...
Zum Abend wurde heute über Luther gesprochen. Hartes Brot, aber es lieferte Möglichkeiten, indirekt über die Missstände in der orthodoxen Kirche aufzuklären, ohne diese direkt benennen zu müssen. Auch einfach mal aufzuzeigen, dass Kirche nicht absolute Autorität ist und es schon mal jemanden gab, der dagegen aufgestanden ist.

Heute wollten wir beginnen, Butter bei die Fische zu packen: Weihnachten. Wie ist das bei dir? Was denkst du, wie's bei uns ist? Erläuterungen, Erklärungen, Aufklärungen,... In Russland bringtVäterchen Frost zum 7.01. die Geschenke; gefeiert wird eine ganze Woche lang vom 1.1. an. Weihnachten aber wird höchstens derart gefeiert, dass man Abendmahl im katholischen Sinne feiert, die meisten schauen sich entsprechenden Gottesdienst aber auch nur im Fernsehen an.
Am Abend sollte plangemäß ein Fest stattfinden, zu welchem die Dozenten eingeladen waren. Von denen hatte zwar keiner Lust zu kommen, trotzdem hatten wir ja Grund zum Feiern. Deutsche Kost, die in Zusammenarbeit mit den Studenten gekocht werden sollte, wurde genossen und im Anschluss ein Programm, welches von ihnen selbst am Nachmittag ausgearbeitet werden sollte. Und wieder waren wir überrascht, mit welcher Kreativität und welchem Enthusiasmus sie ans Werk gegangen sind. Da gab es musikalische Einlagen von Rammstein (wird ja überall in der Welt gehört, nur nicht in Deutschland), Juli (oder Silbermond oder so), ein russisches Märchen wurde aufgeführt und eine Studentin hat sogar einen russischen Stepptanz vorgeführt. Bevor wir anfangen konnten, mussten allerdings erstmal ungefähr 1.000.000 Fotos geschossen werden. Jeder brauchte ein Bild von jedem in unterschiedlichsten Posen und Kombinationen mit anderen. Wenn das kein Beleg dafür war, dass Beziehungen entstanden waren. Soweit unser Auftrag also war, Beziehungen aufzubauen, war er erfüllt worden.

Am letzten Tag sind wir mit dem Thema Ostern auf den Punkt gekommen. Und wieder waren wir erstaunt, welche Gespräche entstanden sind. Hier, aber irgendwie war das zu erwarten gewesen, hatten sich die ersten Studenten ausgeklinkt. Mit der Begründung der Erschöpfung. Was genau dahinter gesteckt haben mag, muss Spekulation bleiben. Aber persönlich war ich mir sicher, dass Gott einfach selektiert und die Gespräche in seinem Sinne geführt hat. Und das Wichtigste wurde im Plenum verkündet: Adam hat eine tiefe Schlucht zwischen uns und dem Vater gerissen; Jesu Kreuz ist die Brücke der Versöhnung. Mehr als IHN bezeugen, können wir eh nicht tun. Überzeugungsarbeit liegt nicht in unserer Verantwortung. Trotzdem war's merkwürdig auf einmal in den Kleingruppen; man hat gespürt – in späteren Gesprächen von anderen bestätigt – wie sich die Atmosphäre verändert hatte. Aber, es lag nicht mehr in unserer Hand...
Am Nachmittag wurde über deutsche Sagen, Märchen und Legenden gesprochen. Wieder kannten die Studenten sich besser aus, als wir. Einige konnten sogar ein (berühmtes) Gedicht zur Legende der Lorelei aufsagen. Zuletzt durften auch wir wieder in deren Kultur reinschnuppern; sie haben uns eine imposante Geschichte erzählt, die ich jedoch trotz lebhafter Veranschaulichung nicht ganz verstehen konnte.
Im Anschluss hatten wir geplant, die Wasserspiele durchzuführen. Endlich! In der Planung war ich mir so unsicher, ob die da überhaupt Bock drauf haben; die schienen völlig verrückt danach. Und sie hatten richtig Spaß dabei, alle. Und es war voll schön, dabei zu beobachten, wie sie im Spielfluss einfach alles um sich herum vergessen und richtig ins Spiel eintauchen konnten. Auch hier hatten sich zwar wieder einige ausgeklinkt, das tat dem Spiel aber keinen Abbruch. So hatten wir halt 2, statt 3 Mannschaften.
Des Abends gab es Lagerfeuer und Pizza Calzone, die in Alu-Folie gewickelt in der Glut des Feuers gebacken wurde. Nach Austauschrunde, in der nochmal jeder überschwänglichen Dank zur Freizeit ausdrückte, wurde das Engelchenspiel aufgelöst. Am Anfang der Freizeit hat jeder seinen Namen auf einen Zettel geschrieben, diesen in einen Hut getan und dafür einen anderen später wieder herausgezogen. Dieser Person sollte man nun über die Tage ein Engel sein; also in besonderer Weise für diese Person da sein, ein Geschenk/Tag machen o. ä. Auf einem Campingplatz war es nicht sehr einfach, jeden Tag ein neues Geschenk aufzumachen; Kreativität im höchsten Maße war also gefragt. Und wieder war ich überrascht, was ich mit Hilfe des HERRN alles für Ideen umsetzen konnte. Und hier wurde nun also aufgelöst, wer wessen Engelchen gewesen ist.
Nach Ende des Programms zogen dann alle auseinander, um neu wieder zueinander zu finden. Die Einen drehten einige letzte Runden UNO, die anderen suchten letzte Gespräche. Und hier erlebte ich mein größtes Wunder. Jemand setzte sich zu mir, eine Unterhaltung entstand, vertiefte und verselbständigte sich. Natürlich kann ich an dieser Stelle nicht ausführen, worüber gesprochen wurde. Aber mir ist wichtig, ein Bild davon zu zeichnen, wie es sich angefühlt hat, Jesus zu bezeugen. In steter Rücksprache mit Gott („Wohin soll das Gespräch gehen? Was soll ich erzählen?“) in die Leerzeichen suchender Menschen zu sprechen. Es war einfach unglaublich; wohlige Wärme, absolute Freude und tiefen Frieden habe ich wahrgenommen. Danach nochmal mit Gott geredet konnte ich nichts als staunen. Wenn das nun also Mission ist, dann will ich zukünftig nichts anderes tun.

Am Morgen des 23.07. gab es keinen Frühsport mehr. Nach dem Frühstück begannen bald die ersten Abschiedsrunden. Wie die Studenten in kleinen Gruppen, wie sie in den Kleinbus bzw. auf's Boot passten, angekommen waren, sind sie dann wieder abgefahren.


Resümee:

Die Nachfrage nach Raum, in denen theoretische Deutsch-Kenntnisse praktisch angewendet und geübt werden kann, ist von den Mitarbeitern der AM richtig wahrgenommen worden. Ständig ließen die Teilnehmer ihren Dank über entsprechende Möglichkeit verlauten. Darüber hinaus haben wir mit selbstkritischen Themen zum Nachdenken anregen können. Nicht nur kulturelle Unterschiede, sondern vollständige Lebenskonzepte und Anschauungen wurden von uns in frage gestellt. Nicht durch Fingerzeig, sondern durch Vorleben. Wir haben, so gut es in dieser kurzen Zeit ging, Beziehungen aufgebaut um so in vertrauter Atmosphäre den zu verkünden, der kommen wird, die Welt zu richten. Was er will und was er für uns getan hat. Was er für mich getan hat...


Anliegen:

Mir persönlich hat die Zeit wohl mehr gebracht, als ich durch meinen Einsatz geben konnte. Ich habe meine eigene Kultur wieder ein bisschen besser kennen gelernt, ich konnte neue praktische Erfahrungen sammeln, mich selbst neu in meinen Fähigkeiten entdecken und Gott selbst erfahren. Einem jeden wünsche ich selbige Erfahrungen. So will ich dazu ermutigen, selbst einmal mit auf einen missionarischen Kurzzeiteinsatz mitzugehen, und kann nur bedauern, wem dies nicht vergönnt ist, weil vielleicht die Arbeit nicht zulässt, sich für 2 Wochen am Stück frei zu nehmen.
Aber dann gibt es auch Mitarbeiter, die gerne losziehen, sich aber oft nicht finanzieren können. Vielleicht möchtest du einfach auch teilnehmen an diesem Einsatz, in dem du dich finanziell beteiligst. Offene Rechnungen gibt es in der Mission immer. Aber hierfür nimm einfach die oben an der Seite notierte Bankverbindung der AM und schreibe in den Verwendungszweck meinen Namen und sowas wie „Russlandfreizeit“. Und wenn du die 10€ gibst, die du hast, freut sich Gott genau so darüber, wie über die 100€ von dem, der eben reicher beschenkt ist.
Viel wichtiger jedoch ist das Gebet. Es ist unheimlich wichtig, dass entstandene Beziehungen aufrecht erhalten bleiben, sich weiter vertiefen. Dass Raum entsteht, in dem die Teilnehmer reflektieren können, was sie in der Freizeit an Erkenntnissen sammeln konnten. Kurz, dass sie gerettet werden. Dass die Einsatzstelle gesegnet wird und alle Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, die für den Dienst am HERRN notwendig sind. Betet dafür!


Freie Zeit:

Wir sind ja nun für 2 Wochen nach Russland geflogen, die Deutsch-Freizeit aber lief nur über einen Zeitraum von 5 Tagen. Im Anschluss fand auf selbigem Terrain eine Jugendfreizeit statt. Aber zuvor sollten wir 1 ½ Tage frei haben, uns einmal in Saratov umzuschauen. Dazu luden uns einige Studenten ein. Mit ihnen sind wir dann durch die Stadt gezogen, haben uns deren Uni, die soviel schlimmer als so manche deutsche nicht aussah, angeschaut und dort sogar ihren Deutsch-Dozenten getroffen. Der war sichtlich begeistert davon, zu erfahren, dass seine Schützlinge in ihrer Freizeit mit Deutschen durch die Lande zogen. Zudem hat das sicherlich auch übergeordnete Beziehungen verbessert; er weiß nun, dass wir völlig vernünftige Leute sind – auf Grund der hohen Stellung der orthodoxen Kirche ist alles andere, einschließlich der evangelischen Kirche, von Grund auf erst einmal Sekte.
Bei unseren diversen Stadtführungen habe ich festgestellt, dass Russland im Verhältnis zu Spanien einen recht soliden Eindruck macht. Zumindest soweit, wie ich es im Vorbeigehen einsehen konnte.


Jugendfreizeit:

Hier sollte das deutsche Team ursprünglich nur stützende Funktion haben. Aber schon bei Ankunft in Saratov wurde unserem Einsatzleiter offenbart, dass er auf Grund von Mitarbeitermangel auch hierfür die Leitung übernehmen würde. Auch zur Planung wurde vieles nochmal über den Haufen geworfen und neu entwickelt. Der Einsatz hörte also nicht auf, spannend zu sein. Für die von uns, die kein Russisch beherrschten, bestand hier einfach nur die Aufgabe, anwesend zu sein und so weit am Programm teilzunehmen, wie möglich. Aber für die drei deutschen Mitarbeiter mit Russisch-Kenntnissen war auch die 2. Freizeit noch einmal Stress pur.


Moskau:

Auf dem Rückweg hatten wir ein paar Stunden in Moskau, bis von dort der Flug ging. So hatten wir Gelegenheit, uns ein bisschen die Stadt anzugucken. Den „Roten Platz“, den Kreml, sogar auf den einbalsamierten im Mausoleum ausgestellten Lenin haben wir ein Blick werfen können. Wieder eine Ecke also, an der wir einfach nur beschenkt wurden...

Donnerstag, 18. August 2011

Die Rückkehr

Für jene, die´s interessiert:
ich bin ab Samstag, 17:20 Uhr wieder in Kiel anzutreffen. Das erste Mal dann entsprechend auf dem Bahnhof.

Natürlich werde ich auch hier noch etwas zu vorangegangenen Ereignissen berichten. Sobald ich Gelegenheit dazu finde...

Donnerstag, 11. August 2011

Deutschland

Kaum waren wir in Frankfurt auf dem Boden - nein, eigentlich hatte dieses Gefühl schon in Palma begonnen - wollten wir wieder zurück...
Ich wollte nicht zurück in deutsche Verhältnisse. Obgleich die Belastungen in Spanien immer schwerer zu ertragen waren, ich die Heimreise zunächst doch als Erlösung empfand, wollte ich nicht aus dem Flugzeug steigen.
Es mag dahingestellt sein, inwieweit Ballermann-Säufer und Frankfurter-Flughafen-Hektik Spiegel unserer Gesellschaft bilden, aber dennoch wurde man einfach wieder daran erinnert, wovor man in diesem Auslandsjahr fliehen wollte.

Für ein paar Tage bin ich Gott sei Dank noch ein wenig abgeschnitten von alledem. Ich darf noch ein bißchen die Ruhe der hessischen Berge genießen, bevor ich wieder mit ewig-deutschem Gejammer konfrontiert werde.
Ich spaziere hier durch den Wald, inhaliere den Nadelholzduft und bin schlicht überwältigt von der Schönheit, die hier vorherrscht. Welchen Reichtum die Vielzahl wirklich schöner und großer Häuser doch abzeichnen - aber dem deutschen Mittelstand ging es noch niemals so schlecht. Ach nein, dieses Jahr ist es der Aktienmarkt, der uns alle ins Verderben stürzt...

Nach dem Vorstellungsgespräch/Bibelkenntnistest (beides im Übrigen recht erfolgreich gemeistert - Ergebnisse wie Zusage bekomme ich aber trotzdem erst Anfang September) wurden mir und einem anderen Anwärter auf unseren Wunsch hin hiesige Räumlichkeiten gezeigt. Und alles hier ist soooo schön. Und ich frage mich, ob so viel Luxus überhaupt gut ist für die Entwicklung eines Geistes dienender Haltung. Es heißt zwar, wer wenig hat, soll zufrieden sein und wer viel hat, soll demütig sein, aber mit der Demut, gerade in finanziellem Wohlstand ist das so eine Sache. Nicht umsonst beteuert Jesus, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher Einlass ins Himmerlreich erlangen könnte.

Nun werde ich noch ein wenig den Raum genießen, den ich habe, all die wieder neuen Eindrücke zu verarbeiten, bis mich das Leben wieder einholt...

Mittwoch, 27. Juli 2011

In 14 Tagen

...bin ich schon wieder in Deutschland. Bis ich Kiel erreiche, werden noch ein paar Tage vergehen, aber deutschen, bewaldeten, bewässerten und vor Allem erfrischend kühlen Boden werde ich schon in 13 Tagen und gut 7 Stunden betreten. Wie ich schrieb, geht es erstmal nach Ewersbach für Vorstellungsgespräch und Bibelkenntnistest, im Anschluss Reentry-Seminar in Wiedenest.

Und was gibt es an dieser Stelle zu sagen?! Abschluss? Was fand ich gut? Was nicht? Was hab ich gelernt?
Nein, da bin ich noch nicht. Was die Arbeit angeht, habe ich ein paar Ergebnisse in meinem Rundbrief aufgezeigt. Aber da das Reich Gottes durch Christus in uns anfängt, gilt es wohl, meinem geistlichen Wachstum umso mehr Beachtung zu schenken. Aber Ergebnisse müssen hier noch reflektiert werden.

Aber eines ist mir die Tage klar geworden. Oder vielmehr einfach aufgefallen. Und davon will ich grad kurz berichten.
Es sind nun noch zwei Wochen. Zwei Wochen hier. Zwei Wochen, bis sich Klima, Leben, Essen, Gemeinschaft, einfach alles (äusserliche) wieder ändert. Zwei Wochen, bis sich entscheidet, ob ich Theologie studieren werde; wie die nächsten 5 Jahre für mich aussehen werden, welchen Rahmen sie haben, wo ich leben werde, wie ich leben werde...
Noch zwei Wochen...

Ich weiss garnicht mehr, wie viele Monate vor Einsatzbeginn ich anfing, echt Muffensausen zu kriegen.
Ich bin ja mehr so der stetige Typ, und Veränderungen finde ich somit eher... sagen wir: doof.
Es ist nicht die Herausforderung, sich neu irgendwo einzufügen, zu lernen, sich neu zurecht zu finden. Es ist einfach nur das Wissen, dass das, was nun ist, aufhört, zu sein.
Und so habe ich mich echt lange vorher mit Fragen zu quälen begonnen, deren Antworten mir eh nicht geholfen hätten: Was wird mich erwarten? Wie wird sich das anfühlen? Wie werde ich damit umgehen? Und: ganz wichtig: Was werden die anderen denken?

Heute; mir ist's egal, ob ich Theologie oder Physik - ich verstehe immer noch nicht, warum die Leute erst bei Physik aufgucken. Beruht doch die Sprache, in der Physik kommuniziert wird, wenn auch noch so abstrakt, auf reiner Logik. Und was gibt es unlogischeres, als das störrische Verhalten des alten Israel, was komplizierteres, komplexeres, schwierigeres, kniffligeres als selbsts jene, die sich Christen nennen, dazu zu ermutigen, Jesus zu vertrauen - studiere, oder ob ich vielleicht gar nicht studiere. Ich habe nach Herz und Verstand eine Entscheidung getroffen. Aber wenn Gott meint, weder das eine, noch das andere sei gut für mich, dann ist das ok. Wenn Gott der Meinung ist, dass es für mich besser ist, wenn ich dann und dann erst erfahre, wie es weitergeht, dann will ich jetzt nicht mit entsprechenden Daten konfrontiert werden. Wenn Gott sagt, dass ich woanders, als dort, wo ich mich derzeit sehen kann, besser dienen kann, ich tieferes Glück erfahren kann, dann will ich dorthin.
Und ich werde auch nicht für'n guten Flug bitten: Wenn Gott meint, mich 3 Stunden in Palma rumsitzen lassen zu müssen, dann wird er seine Gründe dafür haben. Wenn gepredigt wird, wir sollen grosses von IHM erwarten, dann ist damit nicht gemeint, dass wir Gott bitten sollen, die Post zu segnen. Ich weiss nicht, wie viele FSJ'ler meinen Blog lesen, wer sich noch so alles in der Bewerbungsphase befindet. Aber ich sage: Gott braucht keine Post, um Bewerbungsunterlagen rechtzeitig bei Uni's & Co ankommen zu lassen. Ich bin sogar sicher, dass ER nicht einmal eine Bewerbung braucht, um dich an exakt den Ausbildungsplatz zu bringen, der für dich der Beste ist. ER braucht nur eines: dein Vertrauen.
Am Strand könnte man Christen daran erkennen, dass sie gemeinsam baden gehen, dass niemand draussen bleibt, um auf die Sachen aufzupassen. Weil sie darauf vertrauen; dass der HERR mit ihnen ist und ihnen als Schirm und Schild dient (Psalm 91). Und Gott braucht wirklich keinen kümmerlichen Dieb, um uns I-Pod & Co zu nehmen.

Mir ist egal, was passiert. Es ist mir gleich, wohin der HERR mich schickt. Ich will nur alles tun, damit ich in IHM bleiben kann. Wichtig ist mir nur, den Plan zu erkennen, den Jesus jeden Tag für mich neu hat. Manchmal darf ich das schon ein bisschen vorher, aber meistens erfahre ich es erst, wenn's soweit ist. Heute schon darf ich wissen, dass wir morgen zum Mittag eingeladen wurden. Aber wie wir dort hinkommen, oder wer das ist (ich brauch zum Namen einfach ein Gesicht), werde ich wohl erst dann erfahren. Und das ist völlig in Ordnung, bin ich doch mit den Aufgaben, mit denen ich jetzt im Moment beschäftigt bin, genug ausgelastet.

Deshalb kann ich mich noch lange nicht vor meiner tagtäglichen Verantwortung drücken. Ob das Schule, Beruf, oder die Vorbereitung auf ein Bibelkenntnistest - für das ich echt noch viel machen muss - ist. Wie ich sagte, hat Gott uns Herz (Sehnsüchte) und Verstand gegeben, an denen wir uns orientieren können. Aber beides ist durch Sünde belastet, verfinstert. Deshalb liegt die schlussendliche Entscheidung bei Gott.

Jesus, ich freue mich auf dich. Ich freue mich auf die Herausforderungen, denen wir gemeinsam entgegen treten können, in welchen wir uns besser kennen lernen können. Nichts anderes zählt für mich. Hilf mir nur, deine Hand zu erkennen. Damit ich leuchten kann, in deinem Namen.

Samstag, 23. Juli 2011

Kinderfest 2.0

Nachdem wir etliche Summen für das Kinderfest ausgegeben hatten, empfanden wir alle es als gute Idee, wenn die Materialien, und ganz besonders die hergestellten Requisiten wenigsten ein zweites Mal Anwendung finden könnten. Naheliegend war, dass man selbiges Projekt nochmal im ca 60km entferntem Turre veranstalten können, wo zur Zeit ebenfalls drei FSJ'ler über die Allianz-Mission eingesetzt sind.
Nur an eine Umsetzung dieser Idee habe ich nicht glauben können. Bis ich angerufen und um Mithilfe gebeten wurde. Und da sie uns ja ebenfalls geholfen haben, war es natürlich Ehrensache. Auch wenn ich alles andere als Lust dazu hatte. Aber so richtig Nein sagen konnte ich einfach nicht. Und irgendwo wäre es ja auch echt gemein gewesen. So also alles nochmal aufgerafft, in den Bus, und hingefahren...

Das schwierigste war, deren Projekt nicht beständig mit dem unseren zu vergleichen. Ich musste mir immer vergegenwärtigen, dass Turre einfach auch ein ganz anderer Ort als Vicar ist, mit anderen Menschen und, eben, mit anderen Kindern. So hat Gott es selbstredend anders gestaltet. Denn dafür haben wir gebetet. Wir können uns nur für den Dienst anbieten. Was Gott dann daraus macht, ist seine Sache.

Und meine anfängliche Abneigung wurde auch ziemlich schnell in Begeisterung verwandelt. Ich bin tatsächlich gebraucht worden, niemand, der dann doch alles besser wusste.
Und alles in Allem war ich doch froh, einmal ein paar Tage hier aus Vicar rausgekommen zu sein, mal etwas anderes gesehen zu haben. Eine weitere Einsatzstelle kennengelernt zu haben.

Und auch dort scheint das Projekt ziemlich gut angekommen zu sein, insgesamt sollen 150 Kinder erreicht worden sein - nach Erfahrungen aus der Vergangenheit eine massive Steigerung.
Und da Turre mit 3000 Einwohnern doch ein wenig kleiner als Vicar ist, hat sich die Aktion auch ziemlich gut rumgesprochen. Sodass selbst die Kellnerin der Pizzeria, in der wir gestern nach Abschluss des Festes gegessen haben, etwas dazu zu sagen wusste.

Samstag, 9. Juli 2011

Inzwischen...

...hat sich doch wieder einiges zugetragen, über das ich euch nicht im Unklaren lassen möchte.
Z.B. haben wir nach unserem erfolgreichen Kinderfestival beschlossen gehabt, die kleinen Besucher brieflich in die Gemeinde zu einer Nachveranstaltung einzuladen. Um noch einmal an unsere Jungschar-Angebote zu erinnern, um die Kinder - und auch die erwachsenen Begleitungen - aus zumeist muslimischem Hintergrund an Kirche und Gemeinde zu gewöhnen, um einfach noch einmal eine schöne Zeit mit den Kindern zu haben, mit Pedro (eine der Handpuppen) Geburtstag zu feiern.
Nachdem in den ersten Treffen von NIÑOS EN ACCION - KINDER IN AKTION und TODOS SOMOS AMIGOS - ALLE SIND WIR FREUNDE unmittelbar nach dem Festival eher wenig Zuwachs zu verzeichnen war, schien die Hoffnugn gering, dass die Einladung hierzu überhaupt wahrgenommen würde. Trotzdem sind wir los, und haben die Einladungen persönlich in die Briefkästen der Umgebung geworfen. Das war ziemlich aufregend, da in Spanien keine Namen an Klingeln und äusseren Briefkästen, sondern nur Kodierungen für das Appartment stehen.
So waren wir doch überrascht, dass die Kinder doch zahlreich erschienen sind. So hoffen wir natürlich, dass unsere Angebote nach der Sommerpause nachhaltig angenommen werden.

Dann wurde ich neulich gebeten, bei einem evangelischen Konzert in Almería auszuhelfen. Spontan stellte sich heraus, dass eine Gruppe Amerikaner am Stadt-Strand über Musik die Menschen mit dem Evangelium zu erreichen suchte, die aus einfachen Wohnzimmerlautsprechern kommen sollte. Das ging natürlich nicht. So bot Antonio seine Anlage an und bat mich, diese dort aufzubauen und den Amerikanern damit unter die Arme zu greifen. Was ich an der Aktion alles nicht so gut fand, lass ich an dieser Stelle doch lieber aus. Aber der Grund, warum ich diese Geschichte trotzdem für erzählenswert halte, liegt in der aufregenden Erfahrung, mit nicht nur unbekannten Menschen, sondern mit geistlichen Brüdern aus völlig anderen Ländern zusammen zu arbeiten. Nun bin ich ja nicht nur nicht unbedingt der extrovertierteste, ich habe auch noch gut an meiner Kritikfähigkeit zu arbeiten (obwohl ich da schon einiges hinter mir gelassen habe).
Und dann hatte auch noch das Stromkabel für das kleine Mischpult gefehlt; es war einfach nicht im Karton. So sollte ich mit einem völlig unbekannten Gerät arbeiten - Gott sei Dank gab es überhaupt eines! Am Ende lief überhaupt nichts ...und irgendwie dann doch. Irgendwie hat dann doch alles ineinander gegriffen. Und witzig war vor Allem die Kommunikation, weil sie ja dann auch mit Einheimischen zusammen gearbeitet hatten. Spanier, die selbst erst aus Marokko eingewandert waren... Echt spannend.

Dann habe ich letzter Tage noch ganz persönliche Erfahrungen machen können.
Vor einigen Wochen wurde ich von Gott ermahnt, er sei nicht nur in Höhlen, an Stränden, Tempeln und Kirchen oder sonstigen einsamen Orten, zu finden, sonder vielmehr in der Welt, in der Schöpfung selbst, in Gemeinschaft, im Leben halt.
Ich hatte mich hier zum Sabbat immer zurückgezogen, Jesus zu suchen. Ihn kennen zu lernen, Zeit mit ihm zu verbringen. Aber das müsste ich nicht ausschliesslich in Einsamkeit. Und so zog ich los...
Darüber verlor ich dann aber doch irgendwie Jesus aus den Augen. Über das massive Bibelstudium, welchem ich derzeit für den anstehenden Bibelkenntnistest in Ewersbach nachkomme, habe ich das eigentliche Bibellesen vernachlässigt. Betend zu lesen...
Ja, man kann einiges erkennen, lernen, wenn man ganze Bücher, Briefe hintereinander weg liest. Aber ein Dialog mit dem allmächtigen Vater ist das nicht. Und wenn wir die Heilige Schrift als sein Wort akzeptieren, als seine Art, zu uns zu sprechen, dann müssen wir die Bibel fragend und dankend lesen. Aber ich wollte mich in keiner Predigt verlieren, nur meine Position beschreiben.
Darüberhinaus liess ich auch die Stille am Morgen immer öfter ausfallen. Es ist auch sooo heiss hier inzwischen; man kann abends nur schwer einschlafen. Dann ist's nicht leichter, morgens rechtzeitig aus den Federn zu kommen. Auch wenn ich weiss, dass mir eine halbe Stunde Stille mehr Kraft (und vor Allem: Freude) schenkt, als zwei Stunden Schlaf.
Na ja, in einer unweigerlich resultierenden Unzufriedenheit (müsste ich jetzt wieder zu predigen beginnen...) begann ich, enttäuscht und sogar zornig über hiesige Lebensbedingungen zu werden. Hat sich doch eigentlich nichts geändert, nur, dass ich vorher in der Liebe Gottes eben besser mit den Unzulänglichkeiten meiner Mitmenschen, meiner Arbeit, und weiss der Geier was noch umgehen konnte. Oder überhaupt damit umgehen konnte.
Aber dann war auf einmal alles so trostlos. Und ich konnte einfach nicht vergeben, nicht lieben.
Ich kann jetzt nicht mehr genau wiedergeben, welche Impulse mich wieder auf den richtigen Weg zurück brachten. Auf jeden Fall war ein total ermutigender Vers dabei, der mich zudem noch darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ich auch seit 6 Wochen nicht mehr in die Losungen geschaut habe.
Und nun bin ich dankbar für die Enttäuschungen, die ich erfahren sollte. Denn nun ist meine Freude umso grösser - im HERRN.